Tobias Wunschik - Der politische Strafvollzug in der Ära Honecker Gefängniswesen, Haftbedingungen, politische Gefangene und das Ministerium für Staatssicherheit in der DDR (1970–1989)
Abstract

Politische wie kriminelle Gefangene wurden in der DDR gemeinsam in Haftanstalten verwahrt, die dem Ministerium des Innern unterstanden. Formal galten für sie die gleichen Regeln, doch wurden Regimegegner oft strenger behandelt. Die Aufsicht durch die Staatsanwaltschaft beschränkte sich meist auf formale Fragen. Im Vergleich zu den fünfziger Jahren verbesserten sich die Haftbedingungen bis in die Ära Erich Honeckers: die Übergriffe der Aufseher wurden seltener und Kontakte zur Familie eher geduldet. Nach Phasen der Liberalisierung verschärften sich die Haftbedingungen aber auch immer wieder. Grundsätzlich ändert sich nichts an der entwürdigenden Behandlung. Im Vergleich zu frühen Jahren wurde der Arbeitseinsatz sogar immer besser organisiert, was zu stärkerer Arbeitsbelastung der Häftlinge führte. Perfektioniert wurden in den späten Jahren auch die Überwachungsmaßnahmen der Staatssicherheit, die sowohl unter den Aufsehern wie auch unter den Insassen viele Zuträger führte. Als „Zersetzungsmaßnahmen“ brachte die Geheimpolizei mitunter gerade jene in den Ruf eines Spitzels, die nicht kooperierten sondern ihr besonders „gefährlich“ zu sein schienen. Die politische Verfolgung auf diese Weise zu verschleiern war das Ergebnis einer subtilen Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung im Westen, was den Strafvollzug der DDR vergleichsweise stark prägte. Eine weitere Besonderheit lag in dem Freikauf von politischen Gefangenen, der seit 1963 jährlich durchschnittlich etwa 1 200 Häftlingen vorzeitig die Freiheit brachte.